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Salziges zum Partnerschaftsjubiläum

Etwas geheimnisvoll ist es im alten Salzsiedegebäude. Foto: Nico Gosselt

Vereinsmitglieder und Freunde gemeinsam in Bentlage unterwegs – Interessante Führung

Rheine. Einen weiteren Höhepunkt im Jubiläum zum 40-jährigen Bestehen erlebten Mitglieder und Freunde der Städtepartnerschaftsvereine Rheine und Borne bei einem Besuch der Saline Gottesgabe in Bentlage. Der Vorsitzende des Salinenvereins, Thomas Liedmeyer und Schriftführer Bernhard Borgers hatten es sich nicht nehmen lassen, persönlich durch das Gelände und die Anlagen zu führen. Dabei erhielten die Besucher aus den Partnerstädten umfassende Einblicke in die Geschichte des Salzsiedens in Bentlage.

Vorsitzender Thomas Liedmeyer (m..) begrüßte die Gäste auf dem Gelände der Saline Gottesgabe.

Das Gradierwerk

Vielerorts wurde nur schwachprozentige Sole gefunden. Um hieraus Salz zu gewinnen, musste eine große Wassermenge verdunstet werden, was einen hohen  Brennstoffbedarf  zur Folge hatte. Salzsieder suchten deswegen nach immer neuen Methoden, die schwachprozentige Rohsole anzureichern. Im 16. Jahrhundert setzte sich allmählich die Strohgradierung in sogenannten Leckwerken durch.  Dabei handelte es sich um kleine Holzkästen, in die man Strohbüschel setzte. Diese wurden bei guter Witterung von den „Lepperknechten“ mit Sole begossen. Im 17. Jahrhundert ging man zu Wänden aus Stroh über, die nicht mehr mit Sole beworfen werden mussten, sondern durch Leitungen von oben her versorgt wurden. Auch an der Saline Gottesgabe entstand etwa 1605 ein Leckwerk von 60 Fuß Länge und 20 Fuß Breite, welches vermutlich 1647  im 30-jährigen Krieg den Schweden zum Opfer fiel.

An den glatten Strohbüscheln der Leckwerke lief die Sole zu schnell nach unten, so dass nur wenig Wasser verdunstete. Nach Versuchen mit Birkenreisig gegen Ende des 17. Jahrhunderts  wurde mit dem Schwarzdorn, den Zweigen der Schlehe, das ideale Gradiermaterial gefunden, weil es sich als besonders salzresistent erwies. Die harten, sperrigen und dornigen Zweige erlauben den Aufbau relativ dicker Schichten. Die Sole verrieselt an den Außenwänden in feinen Tröpfchen und der entlang streichende Wind lässt einen Teil des enthaltenen Wassers verdunsten. Die Erfindung dieser Dorngradierung wird dem ideenreichen Salinenspezialisten Joachim Friedrich Freiherr von Beust zugeschrieben.

In Bentlage ließ Freiherr von Beust ein fast 300 Meter langes Gradierwerk errichten, das erste seiner Art in Westfalen. Aus einem Katen unter dem Dach rieselte die Rohsole über die Schwarzdornzweige in die Tiefe und wurde stark abhängig von der Witterung angereichert. Nebel, Regen und Frost behinderten den Gradiervorgang, während hohe Temperaturen und niedrige relative Luftfeuchtigkeit den Ablauf begünstigten. Unter optimalen Umständen konnte die geringprozentige Ausgangssole, deren Salzgehalt im Schnitt bei etwa 9 Prozent lag, bis auf einen Salzanteil von 18 bis 22 Prozent veredelt werden. Eine höhere Konzentration wurde nicht angestrebt, weil dann bestimmte Säuberungsprozesse bei der anschließenden Versiedung nicht mehr möglich gewesen wären.

Das Gradierwerk wurde in Nordwest-Richtung ausgerichtet, damit der Wind aus der Haupteinfallsrichtung seitlich an den Wänden vorbeistreichen konnte. Über der Anlage war ein Dach konstruiert um Verdünnung der Sole bei Regenwetter zu vermeiden. Weil sich aber unter dem Überstand des Daches der Wind bei steilem Einfallswinkel staut, wurden anderenorts bestehende Dächer abgetragen oder neue Gradierwerke ohne Dach gebaut. Dass die noch bestehenden Gradierwerksteile in Bentlage mit einem Dach gekrönt sind, kann als Wahrzeichen der Saline Gottesgabe gelten.

Von dem ursprünglichen Gradierwerk sind nur Teile erhalten geblieben. Im Jahre 1940 brachte ein heftiger Sturm das 130 m lange Mittelstück zum Einsturz und in 1945 brach das östliche Ende zusammen. Vom ursprünglichen Gradierwerk, welches von Beust von 1743 bis 1745 errichtete, ist nur der 35 m lange Westteil erhalten geblieben. Der ca. 30 m lange Gradierwerksteil am Salinenkanal wurde 1966 in alter Form neu erstellt.

Salzsiedehaus

Die im Gradierwerk aufbereitete Sole wurde in die großen Pfannen des Salzsiedehauses geleitet, wo sie zu Salz versotten wurde. Ursprünglich waren die Pfannen aus Blei, welche aber dem Feuer nur wenige Wochen standhielten und dann neu vergossen werden mussten. Seit dem 16. Jahrhundert wurden die Pfannen aus einzelnen Eisenblechen zusammengenietet.  Die Fugen zwischen den Blechen dichtete man mit einem Gemisch aus Tierleber, Talg und Lehm ab.

Der eigentliche Siedeprozess bestand aus zwei Arbeitsgängen, dem „Stören“ und dem „Soggen“. Das Stören diente gleichermaßen dem Vorwärmen wie dem vollständigen Reinigen der Sole. Kräftig angeheizt mit Holz wurde die Sole zunächst zum Kochen gebracht. Durch Zugabe von einige Näpfchen Rinderblut oder Eiweiß bildete sich – ähnlich wie beim Marmeladekochen – auf der Oberfläche ein bräunlicher Schaum, der Verunreinigungen absorbierte und als „Salzschmant“ abgeschöpft wurde. Das Ende der Störphase erkannten die Sieder daran, dass sich an der Oberfläche feine Salzhäute bildeten. Die Sole „ging zu Salze“.

Vor dem Salzsiedehaus.

Nun folgte das Soggen. Die Sole durfte nicht mehr kochen, sondern sollte bei Temperaturen zwischen 60 und 80 °C ruhig stehen. Nach und nach setzte sich das Salz an der Oberfläche ab, wobei die Salzkristalle in typischen Gebilden auskristallisierten, welche oft die Form kleiner Hohlpyramiden annahmen. Aber die Siedemeister mussten auch mit unangenehmen Überraschungen rechnen. Wenn zum Beispiel die Sole Spuren von fetthaltigen Substanzen enthielt, dann bildeten diese Fette eine außerordentliche dünne, aber dennoch effektive Haut auf der Soleoberfläche. Durch diese Haut konnte das Wasser nicht verdampfen und das Salz nicht auskristallisieren. Dagegen setzten die Siedemeister spezielle Scheidungsmittel  wie Bier oder Branntwein, Harz oder Ruß ein. Die genaue Rezeptur dieser Scheidungsmittel wurde streng geheim gehalten und vom Vater auf den Sohn überliefert.

Die sich an der Oberfläche bildenden Salzkristalle sanken auf den Boden und wurden von Zeit zu Zeit mit Krücken an den Pfannenrand gezogen. Sodann wurde das Salz in Spitzkörbe aus Weidengeflecht gefüllt und nach dem Abtropfen zum Trocknen in die Salzmagazine gebracht.

Schausiedepfanne

Ursprünglich ernährte sich der Mensch als Jäger und Sammler von Wildkräutern und stillte damit seinen Hunger nach dem lebensnotwendigen Salz, welche diese von Natur enthielten. Als er aber vor etwa 10.000 Jahren sesshaft wurde und als Bauer von den gezüchteten Erträgen der Erde lebte, musste er andere Wege gehen. An den Küsten der warmen Meere bildeten sich Salzablagerungen, in den kälteren Breitengraden trat das im Untergrund gelagerte Salz nur als Solequelle zu Tage.

Als erster Schritt der Salzgewinnung aus den natürlichen Solequellen musste der – zumeist niedrige – Salzgehalt der Sole angereichert werden. Durch Verrieselung im Gradierwerk verdunstete ein Teil des Wassers und die so auf etwa 20 Prozent verdichtete Sole wurde in großen Wannen erhitzt, damit das Salz auskristallisierte. Im Salzsiedehaus sind noch die historischen Siedepfannen vorhanden, aber an ihnen hat der „Zahn der Zeit“ genagt. Die in der Salzwerkstatt von den Städtischen Museen sehr erfolgreich angebotenen pädagogischen Mitmachprogramme bewegen sich nur in kleinstem Maßstab. Folglich konnte die historische Methode des Salzsiedens nicht unmissverständlich veranschaulicht werden.

Seit seiner Gründung im Jahre 2010 hat dr Verein einen langen Weg zurückgelegt. Dieser begann mit dem mühsamen Betrieb einer mobilen Siedepfanne. Das hierin gewonnene Salz, verpackt in ansprechenden Säckchen, fand schnell derart großen Anklang, dass die Kapazität der mobilen Siedepfanne nicht mehr ausreichte.

Diese Gründe waren für den Verein Anlass zum Bau einer festen Schausiedepfanne zur anschaulichen Darstellung der historischen Methode des Salzsiedens und zur Erzeugung von naturbelassenem, grobkörnigem Salz. Die Siedepfanne ist ein auf anderhalb Meter groß und hat eine Tiefe von 25 cm. Das Volumen beträgt etwa 350 Liter. Die Siedepfanne wird elektrisch mit einer ausfallsicheren Temperatursteuerung betrieben, so dass die Pfanne autonom im Dauerbetrieb bei etwa 65 Grad arbeiten kann. Zum Schutz der Anlage und um eine ruhige Siedetätigkeit zu ermöglichen, steht die Pfanne in einem gläsernen (quasi salzkristallinen) Pavillon. Dieser kann geöffnet werden, damit Besuchergruppen bis dicht an die Siedepfanne treten und somit an den Siedevorgang herangeführt werden können.

Mit der Siedepfanne kann laufend die Salzproduktion durchgeführt werden. Leise und kontinuierlich köchelt die Sole vor sich hin. Zu bestimmten Zeiten wird das Salz abgeschöpft. Alle Vorgänge sind dem Besucher visuell zugänglich. Auch wenn der Betrieb ruht, ist die Salzsiedepfanne mit ihrer darin stehenden Sole und den Salzverkrustungen ein ansehnliches Objekt, welches die Geschichte seiner Funktion dem Besucher erzählt und vermittelt. Sie stärkt die pädagogische Arbeit vor Ort und unterstützt das Konzept der Führungen und der Bildungsarbeit. Mit der für Westfalen einzigartigen Siedepfanne ist es uns mit innovativen Elementen beispielhaft gelungen, die Darstellung eines verloren gegangenen Arbeitsprozesses in historischer Umgebung wieder aufleben zu lassen und dadurch kulturell zu erhalten. Möglich war dies nur mit hohem ehrenamtlichen Engagement und weitreichender Unterstützung der städtischen Organisatoren.

Der Förderverein

Am 29.04.2010 wurde in einer konstituierenden Sitzung namhafter Bürger der Stadt Rheine in dem historischen Ambiente des Restaurants Gottesgabe in Bentlage der „Verein zur Förderung der Saline Gottesgabe e.V.“ aus der Taufe gehoben. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt die historische Methode des Salzsiedens weiter zu erforschen und bekannt zu machen. Besonders Jugendliche möchte der Verein anregen, mit Hilfe von Salzprojekten das Besondere der Saline Gottesgabe unter vergleichenden europäischen Aspekten zu erforschen. Im Allgemeinen soll das Bewusstsein der Rheinenser für die Erhaltung des geschichtlich wertvollen vorindustriellen Denkmals gefördert werden um so zur Instandhaltung der historischen Anlagen beizutragen.