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Die absolute Stille in Borne erlebt

Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins erstmals zur Gedenkfeier in der Partnerstadt eingeladen

Borne/Rheine. Noch vor wenigen Tagen erlebten viele Rheinenserinnen und Rheinenser Borne als lustig, quirlig, bunt und laut. „Borne op z’n Best“ lautete das Motto des jährlichen Festivals. Am Donnerstagabend herrschte in unserer Partnerstadt Stille, absolute Stille.

Am 4. Mai gedenkt man in den Niederlanden aller Niederländerinnen und Niederländer, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Kriegssituationen, aber auch bei Friedensoperationen, ums Leben gekommen sind.

Ursprünglich wurde bei „de nationale dodenherdenking „nur der niederländischen Soldaten und Widerstandskämpfer gedacht, die im Zweiten Weltkrieg gefallen waren. Im Laufe der Jahre kamen andere Gruppen dazu. Dazu gehören zum Beispiel die Opfer der Militäraktionen in Niederländisch-Indien und die der friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen, an denen die Niederlande teilnahmen, wie in Bosnien und Afghanistan.

Viele Jahrzehnte waren Deutsche bei diesen Veranstaltungen nicht gerade gerne gesehen. Umso erfreuter war der Städtepartnerschaftsverein, dass in diesem Jahr erstmals nicht nur Rheines Bürgermeister, sondern gleich der gesamte Vorstand des Vereins offiziell eingeladen war. Sicherlich einer der Höhepunkte im Jubiläumsjahr, denn Borne und Rheine verbindet eine 40-jährige Städtepartnerschaft.

Begonnen wurde die Gedenkveranstaltung in der „Oude Kerk“ in Altborne. Der älteste Teil dieser Kirche stammt aus dem Jahr 1350. Wandmalereien, die bei der Restaurierung der Kirchen zwischen 1919 und 1921 gefunden wurden, stammen aus dem Jahre 1482.

Die Kirche bildete den wundervollen Raum für eine kurze Gedenkfeier, die vom „Bornse Kleinchor“ umrahmt wurde. Dieser Männerchor, begleitet von Klavier und Geige, sorgte auch bei den Gästen aus Rheine für „Gänsehautgefühle“.

Pastor Johan Meijer erinnerte an die Ukraine: „Der Krieg ist nie weit entfernt“ zog er Vergleiche zwischen der Deutschen Besetzung vor 80 Jahren und der heutigen Situation in der Ukraine. „Von diesen Schrecken der Unterwelten befreit zu werden, braucht es viel Mut und Wagemut!“

In einem schweigenden Gang durch Altborne, begleitet von zwei jungen Trommelschlägern, ging es zum Mahnmal auf dem „Rheine Plein“. Hier gab es für die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein zweiminütiges Schweigen. Anschließend legten die verschiedenen Gruppierungen Kränze nieder. Auch die Gäste aus Rheine legten langstielige weiße Rosen auf die Steine des Denkmals.

Bürgermeister Dr. Peter Lüttmann ehrte die Gefallenen und Ermordeten mit einer weißen Rose. Neben ihm sein Stellvertreter, Karl-Heinz Brauer und die Kassiererin des Städtepartnerschaftsvereins, Ingrid Brauer.
Junge Menschen, wie hier die Pfadfinder, nahmen ebenso an der Gedenkfeier teil…
…wie Veteranen und Aktive der Streitkräfte der Niederlande.

Ergriffen lauschten alle der abschließenden Nationalhymne der Niederlande, der „Wilhelmus“.

https://youtu.be/mGfNJ_ZKdUQ

„Der Krieg ist nie weit weg“

Aus der Ansprache von Bornes Bürgermeister Jan Pierik bei der Gedenkfeier in der Alten Kirche

„Jedes Jahr am 4. Mai stehen wir Seite an Seite, um uns zu erinnern. Besinnen wir uns auf die Vergangenheit und erkennen, dass wir nicht alle Schrecken des Krieges noch einmal erleben wollen. Aber das “Leben mit dem Krieg” geht nicht an uns vorbei und ist sogar sehr nahe, wie wir durch die Hunderte von Ukrainern erfahren, die in unserer Mitte leben, die gerade wegen des Krieges an der Grenze Europas in unserer Mitte leben.

Gewaltsame Auseinandersetzungen und Kriege gibt es zu allen Zeiten und scheinen dem Menschen eigen zu sein. Manche werden dadurch still und mutlos. Aber es motiviert mich umso mehr, darüber zu sprechen und auf die Fähigkeit der Menschen hinzuweisen Fähigkeit der Menschen aufmerksam zu machen, Kämpfe und Meinungsverschiedenheiten nicht in Gewalt umschlagen zu lassen.

In Frieden zu leben und Gewalt einzudämmen ist eine starke Fähigkeit, die wir in uns tragen, aber die Umstände machen sie manchmal hauchdünn und machen uns anfällig für die Verlockungen der gewalttätigen Alternative. Deshalb ist es wichtig halten wir die Geschichte, die davon zeugt, lebendig, und es ist wichtig, dass wir dass wir uns jedes Jahr daran erinnern, dass viele Zivilisten und Soldaten ihr Leben verloren haben um Frieden und Freiheit zu erlangen oder zu erhalten.

Vor 80 Jahren standen die Niederlande – und Twente im Besonderen – vor einem mit einem historischen Ereignis von großer Tragweite konfrontiert. Eines mit enormen Auswirkungen. Auch für die Einwohner von Borne. Am 29. April 1943 wurden alle 300.000 niederländischen Soldaten, die 1940 gekämpft hatten, zum Arbeitseinsatz einberufen. Aufgrund der großen deutschen Verluste während der Schlacht um Stalingrad wurden zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, um die deutsche Kriegsindustrie am Laufen zu halten.

Nachdem das Fernschreiben des Oberbefehlshabers der Wehrmacht eingetroffen war, legten die 3.000 Arbeiter der Maschinenfabrik Stork in Hengelo fast sofort ihre Arbeit nieder. Dank der Bemühungen von Femy Efftink, einer Telefonistin bei Stork, wurde der Streik fast im ganzen Land gehört. Innerhalb weniger Stunden widersetzten sich mehr als 500.000 Menschen in den Niederlanden der Unterdrückung durch die Deutschen. Es wurde der größte Volkswiderstand während des Krieges in Europa.

Die deutsche Besatzungsmacht reagierte mit Härte und Terror, auch in Borne. In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai wurden acht Menschen aus ihren Betten geholt und ins Konzentrationslager Vught transportiert. Und obwohl die Arbeit am Montag, dem 3. Mai, auf Befehl von Oberleutnant Wüscher wieder aufgenommen wurde, wurden wahllos Menschen zusammengetrieben, darunter Johannes Hendrikus Jansen, ein Metzger aus Almelo. Er und Marinus Gerardus Neurdenburg und Cornelis Brasser, beide Betriebsleiter bei Spanjaard, wurden in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai in der Nähe der Welemans-Brücke in Borne erschossen.

Die April-Mai-Streiks wurden groß, als die Arbeitseinsatzmaßnahmen Maßnahmen der deutschen Besatzer an den Sinn für Gerechtigkeit und Solidarität. Es sind diese wertvollen Charaktereigenschaften, die uns helfen miteinander verbunden zu bleiben. Die Noaberschap, wie wir sie hier nennen, und auf die wir stolz sind, ist wichtig, um unsere Freiheit zu bewahren.

In der heutigen Zeit gibt es Bewegungen in der Gesellschaft, die die Menschen verunsichern, die Menschen auseinandertreiben und sie sogar gegeneinander aufbringen. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Spaltungen nicht zunehmen, sondern dass wir solidarisch miteinander bleiben. So wie es unsere Vorfahren während der April-Mai-Streiks im Jahr 1943 getan haben.

Am Vorabend des Tages der Befreiung, dem Tag, an dem wir unsere Freiheit in einer großen Feier begehen können, gedenken wir der Zivilisten und Soldaten, die im Königreich der Niederlande oder anderswo auf der Welt seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in Kriegssituationen und bei Friedensmissionen gefallen sind.

Lassen Sie uns vor allem weiterhin erkennen und zum Ausdruck bringen, was der hart erkämpfte Frieden und Freiheit wert ist. Denn der Krieg ist nie weit weg!

Die Bornenser und Gäste aus Rheine trafen sich zum Abschluss auf eine Tasse Kaffee im Rathaus. Hier wurde über die Vergangenheit diskutiert, aber auch über die nahe Zukunft der Städtepartnerschaft. Denn es warten noch einige Highlights in diesem Jubiläumsjahr.

Sie freuen sich auf die weiteren Veranstaltungen im Jubiläumsjahr (v.l.): Rheines Bürgermeister Dr.Peter Lüttmann, Bornes Bürgermeister Jan Pierik und der Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins, Reiner Wellmann.