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Familienzusammenführung nach sechs Jahren

Wenn der Reisepass die Familie trennt

Rheine. cpr. Für die junge Eritreerin Gete Tagel aus Rheine fand das tränenreiche und kräftezerrende Kämpfen um die Familienzusammenführung mit ihrem achtjährigen Sohn Amanuel ein Ende. Nach sechs Jahren Trennung konnte sie den achtjährigen Jungen in ihre Arme schließen. Eritrea gehört auf der Skala der am wenigsten entwickelten Länder zu denen mit dem geringsten jährlichen Pro-Kopf-Einkommen. Der Schutz für Mädchen und Frauen vor sexueller Gewalt und Genitalverstümmelung ist dort nicht gewährleistet. Obwohl per Gesetz verboten, werden über 80% der Mädchen und Frauen genital verstümmelt. Nur sehr wenige Fälle werden vor Gerichten verhandelt. Bestraft für die Gewalttaten wird niemand.

Mit 13 Jahren wurde die heute immer noch junge Frau von Soldaten ihres Landes gejagt und vergewaltigt. Aufgrund von Armut und ständiger Angst vor Misshandlung durch Soldaten, entschloss sich die junge Mutter 2016 im Alter von 14 Jahren das Land zu verlassen und für sich und ihren Sohn eine sichere Zukunft in Europa zu suchen. Der Sohn blieb in Betreuung eines Bekannten in Nairobi, Kenia. Über den Sudan und Libyen führte ihre monatelange Flucht nach Rheine. 2017 wurde sie hier als Flüchtling nach der Genfer Konvention der Menschenrechte anerkannt. In Rheine angekommen lebte sie bis zur Volljährigkeit im Caritas-Kinder- und Jugendheim und wurde dort von den Mitarbeitenden betreut. Auch von der Flüchtlingsberaterin des Caritasverbandes Rheine, Elke Parniske, wurde sie darin unterstützt, ihr Kind zu sich nach Deutschland nachzuholen. Trotzdem dauerte es sechs Jahre, bis die Mutter ihren Sohn wiedersehen konnte.

Der Antrag auf Familienzusammenführung scheiterte aufgrund eines nicht vorliegenden eritreischen Reisepasses des Sohnes bei der deutschen Botschaft in Nairobi. Die Kooperation mit dem eritreischen Staat für die Beschaffung der Dokumente stellte ein weiteres Hindernis dar, da hier Korruption und erpresserische Forderungen an Bittsteller an der Tagesordnung sind. Um die Zusammengehörigkeit von Mutter und Kind festzustellen, wurde deshalb ein DNA-Verfahren angestrebt, um ein Vorlegen des Reisepasses zu umgehen. Erst im Oktober 2021 kam aus Nairobi die gute Nachricht, dass Amanuels Fall nun endlich bei der Ausländerbehörde in Rheine läge. Dort wurde schnell festgestellt, dass das Kind unter den gegebenen Bedingungen einreisen darf. Trotzdem passierte in Nairobi ein halbes Jahr lang nichts.

Nach langem Warten erreichte die Flüchtlingsberaterin Parniske eine E-Mail aus der Botschaft in Nairobi. Ein Visum zur Einreise könne erteilt werden. Nach zwei Monaten und viele Kontaktversuche beim Auswärtigen Amt in Berlin bekam Parniske dort im Juni die mündliche Auskunft, dass das Visum gedruckt sei. Nach kurzer Komplikation wegen eines fehlenden Stempels im Reisepass des Achtjährigen am Flughafen Amsterdam, lagen sich Mutter und Kind dort nun endlich wieder in den Armen. Schon am nächsten Tag trafen sie sich mit Parniske, die Integration des Jungen in einer Schule in Rheine konnte nun in die Wege geleitet werden. „Jahrelange Gefühle von Hilfslosigkeit, Verzweiflung und Wut sind nicht einfach weg“, kann die Mutter nach der Familienzusammenführung berichten. Sie und Sohn sind überglücklich. Die Flüchtlingsberaterin ist ebenfalls erfreut über den Ausgang: „Glücklicherweise sind nicht alle unsere Fälle so kompliziert. Dieser war jedoch auch emotional belastend für alle Beteiligten, da es um das Schicksal eines Kindes ging“, so Parniske.