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Aus dem Krieg in Sicherheit in Rheine

Über die Lage der Flüchtlinge aus Charkiw und deren Zukunft berieten (v.l.): Winfried Hülsbusch von der Geschäftsführung des Caritas- Kinder- und Jugendheimes, die Bundestagsabgeordnete Sarah Lahrkamp und Schul- und Sozialdezernent Raimund Gausmann. Foto: Gerd Cosse

Kinder aus dem Fußballinternat in Charkiw fanden Unterstützen bei Eintracht Rheine und dem Caritas-Kinderheim

Es ist eine muntere Runde beim Mittagessen. Jungs im Alter zwischen 12 und 15 Jahren „hauen ordentlich rein“. Denn sie haben gerade intensiv Fußball gespielt. Mitten unter ihnen Sarah Lahrkamp, Mitglied des Deutschen Bundestages und Kinderbeauftragte ihrer SPD-Fraktion. Es herrscht eine lockere Stimmung, es wird viel gelacht und gescherzt.

Doch der äußere Schein trügt: Die 16 Kinder, sieben Mütter und zwei Vierjährige haben eine gefährliche Reise hinter sich: Sie flüchteten aus Charkiw in der Ostukraine, einer Millionenstadt, die von den Russen inzwischen fast völlig zerstört wurde.

In Charkiw gibt es ein Fußballinternat, in dem diese Kinder bisher ein unbeschwertes Leben führen konnten. Unter ihnen auch Stepan Korytnyk. Allerdings flüchtete die Familie Korytnyk mit ihren drei Kindern bereits kurz vor Kriegsbeginn aus dem Land und landete auf Umwegen in Rheine. Vater Serhiy war in der Ukraine ein erfolgreicher Trainer einer Zweitliga-Fußballmannschaft und so lag es nahe, dass Korytnyk schnell Kontakt zum FC Eintracht Rheine knüpfte.

Über Sergej Korytnyk erreichte Jörn Eversmann und Markus Wersching von der Eintracht ein Hilferuf aus der Ukraine. „Daraufhin fassten wir den Entschluss, den Menschen zu helfen und nach Deutschland in Sicherheit zu bringen“, erläutert Eversmann.

Zum Caritas- Kinder- und Jugendheim wurde spontan aufgebaut und auch der Städtepartnerschaftsverein wurde um Unterstützung gebeten. Am vergangenen Mittwoch starteten vier Bullys mit Fahrern des FCE und der Caritas in Richtung polnisch-ukrainische Grenze. Hier wurden die Mütter und Kinder abgeholt und kamen in der Nacht zum Freitag um 4.30 Uhr am Kinder- und Jugendheim an der Unlandstraße an. Die Transportkosten teilten sich FC Eintracht Rheine, das Caritas-Kinderheim und der Städtepartnerschaftsverein.

Wie Winfried Hülsbusch von der Geschäftsleitung des Caritas-Kinderheims erläuterte, wurden die 25 Menschen in vier Hausgemeinschaften untergebracht. In jeder Hausgemeinschaft sind auch Mütter untergebracht, so dass die Kinder ihre unmittelbare Ansprechpartnerin haben. Eingebunden wurden auch die Fachkräfte des Caritasverbandes ebenso wie die der Stadt Rheine, deren Schul- und Sozialdezernent Raimund Gausmann sich ebenfalls im Kinderheim über diese ungewöhnliche Hilfsaktion informierte. Er lobte das gemeinsame Engagement von FC Eintracht Rheine, dem Caritas- Kinder- und Jugendheimes sowie des Partnerschaftsvereins.

„Eigentlich hätten wir diese Menschen hier in Rheine nicht aufnehmen müssen, denn unsere Aufnahmequote liegt bereits bei 140 Prozent“, so Gausmann. Andere Gemeinden und Städte im Kreis lägen da bei etwa 40 Prozent, verteilte er einen kleinen Seitenhieb auf andere Gemeinden. Hier liege allerdings ein Sonderfall vor. Es handele sich nicht um Einzelpersonen, sondern um eine Gruppe die man nicht auseinanderbrechen wollte. Deshalb habe auch die Stadt Rheine ihre volle Unterstützung zugesagt. Wenngleich es hinsichtlich der Finanzierung der Unterbringung Probleme gäbe, die bislang nicht bekannt waren. Die „unbegleiteten Kinder“ seien von der Stadt „in Obhut“ genommen worden. Für die übrigen Kinder mit ihren Müttern suche man zurzeit nach einer längerfristigen Lösung. Auch müsse man überlegen, in welchen Schulen und Schulformen die Kinder nach den Ferien untergebracht werden sollen. Hier müsse zunächst einmal der Status und der Lernstand jedes einzelnen Kindes erarbeitet werden.

Solche Unterbringungs-, Finanzierungs- und Beschulungsprobleme nahmen dann auch einen breiten Raum in der Diskussion mit der Bundestagsabgeordneten Sarah Lahrkamp ein. Einig waren sich alle Beteiligten, dass die Kommunen auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen seitens des Bundes besser unterstützt werden müssen. Auch längerfristig, so Gausmann: „Wir müssen immer nur reagieren und können nicht verlässlich planen.“

Die Kinder bekamen von diesen Problemen jedoch nichts mehr mit. Sie waren wieder unterwegs zum Delsen, wo jeden Tag viele Fußballprogramme auf die Kicker warten.

„Ich habe heute zufriedene und glückliche Kinder erlebt“, sagte die Abgeordnete. „Ich war überrascht, wie offen und unbefangen sie mit mir geredet haben“. Es sei schön, dass die Kinder hier in Rheine in Ruhe Fußball spielen können, „ohne die dauernde Angst, dass etwas Schlimmes passiert!“

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FC Eintracht Rheine, das Caritas- Kinder- und Jugendheim und der Städtepartnerschaftsverein möchten die Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet auch weiter unterstützen. Um auch weiterhin helfen zu können, werden Geldspenden erbeten auf das Konto: Städtepartnerschaftsverein, IBAN DE 65 4035 0005 0000 0642 53 unter dem Stichwort „Hilfe für die Ukraine“ bei der Stadtsparkasse Rheine.

Das zerstörte Fußballinternat des FC Metalist Charkiw (Fotos: privat)