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Abkühlung am Gradierwerk

Das Gradierwerk hat sich bei der Hitze nicht verbogen. Diese Aufnahme machte ich mit einem "Fischaugen-Objektiv".

Bei der momentanen Hitze lohnt sich ein kleiner Ausflug zur Saline Gottesgabe. Am dortigen Gradierwerk verdunstet bei der Salzgewinnung das Wasser und so wird die umgebende Luft abgekühlt.

Vielerorts wurde nur schwachprozentige Sole gefunden. Um hieraus Salz zu gewinnen, musste eine große Wassermenge verdunstet werden, was einen hohen Brennstoffbedarf  zur Folge hatte. Salzsieder suchten deswegen nach immer neuen Methoden, die schwachprozentige Rohsole anzureichern. Im 16. Jahrhundert setzte sich allmählich die Strohgradierung in sogenannten Leckwerken durch.  Dabei  handelte es sich um kleine Holzkästen, in die man Strohbüschel setzte. Diese wurden bei guter Witterung von den „Lepperknechten“ mit Sole begossen. Im 17. Jahrhundert ging man zu Wänden aus Stroh über, die nicht mehr mit Sole beworfen werden mussten, sondern durch Leitungen von oben her versorgt wurden. Auch an der Saline Gottesgabe entstand etwa  1605 ein Leckwerk von 60 Fuß Länge und 20 Fuß Breite, welches vermutlich 1647  im 30-jährigen Krieg den Schweden zum Opfer fiel.

An den glatten Strohbüscheln der Leckwerke lief die Sole zu schnell nach unten, so dass nur wenig Wasser verdunstete. Nach Versuchen mit Birkenreisig gegen Ende des 17. Jahrhunderts  wurde mit dem Schwarzdorn, den Zweigen der Schlehe, das ideale Gradiermaterial gefunden, weil es sich als besonders salzresistent erwies. Die harten, sperrigen und dornigen Zweige erlauben den Aufbau relativ dicker Schichten. Die Sole verrieselt an den Außenwänden in feinen Tröpfchen und  der entlang streichende Wind lässt einen Teil des enthaltenen Wassers verdunsten. Die Erfindung dieser Dorngradierung wird dem ideenreichen Salinenspezialisten Joachim Friedrich Freiherr von Beust zugeschrieben.

In Bentlage ließ Freiherr von Beust ein fast 300 Meter langes Gradierwerk errichten, das erste seiner Art in Westfalen. Aus einem Katen unter dem Dach rieselte die Rohsole über die Schwarzdornzweige in die Tiefe und wurde stark abhängig von der Witterung angereichert. Nebel, Regen und Frost behinderten den Gradiervorgang, während hohe Temperaturen und niedrige relative Luftfeuchtigkeit den Ablauf begünstigten. Unter optimalen Umständen konnte die geringprozentige Ausgangssole, deren Salzgehalt im Schnitt bei etwa 9 Prozent lag, bis auf einen Salzanteil von 18 bis 22 Prozent veredelt werden. Eine höhere Konzentration wurde nicht angestrebt, weil dann bestimmte Säuberungsprozesse bei der anschließenden Versiedung nicht mehr möglich gewesen wären.

Das Gradierwerk wurde in Nordwest-Richtung ausgerichtet, damit der Wind aus der Haupteinfallsrichtung seitlich an den Wänden vorbeistreichen konnte. Über der Anlage war ein Dach konstruiert um Verdünnung der Sole bei Regenwetter zu vermeiden. Weil sich aber unter dem Überstand des Daches der Wind bei steilem Einfallswinkel staut, wurden anderenorts bestehende Dächer abgetragen oder neue Gradierwerke ohne Dach gebaut. Dass die noch bestehenden Gradierwerksteile in Bentlage mit einem Dach gekrönt sind, kann als Wahrzeichen der Saline Gottesgabe gelten.

Von dem ursprünglichen Gradierwerk sind nur Teile erhalten geblieben. Im Jahre 1940 brachte ein heftiger Sturm das 130 m lange Mittelstück zum Einsturz und in 1945 brach  das östliche Ende zusammen. Vom ursprünglichen Gradierwerk, welches von Beust von 1743 bis 1745 errichtete, ist nur der 35 m lange Westteil erhalten geblieben. Der ca. 30 m lange Gradierwerksteil am Salinenkanal wurde 1966 in alter Form neu erstellt.